hi leute, gestern war es endlich soweit. ich lasse mich nicht nerven von dem behördenkram und rufe einfach in der werkstatt an, ob ich die "blaue nummer" ausleihen könne, um mal eine runde mit der estrella zu fahren. am morgen hatte es zwar noch leicht geschneit, und auch mittags war der himmel noch grau-in-grau, aber zumindest liegt jetzt kein schnee mehr auf der strasse. ich also rein in die warmen winterklamotten marke "zwiebelschichten" und mit dem taxi zur werkstatt. die kleine springt problemlos an, stand sie ja bis jetzt im warmen verkaufsraum und rattert dank choke-unterstützung munter vor sich hin. bis ich all meine klamotten warm und zugfest zu habe, läuft das kleine motörchen etwas warm. als ich losfahre, und erst noch über ein paar meter festgefahrenen schnee auf dem parkplatz muss, bevor ich die strasse erreichte, bin ich überrascht, wie handlich die maschine ist.
die straßen sind salznass und mit neuen reifen lässt sich auch nicht unbedingt spaßen, trotzdem vermittelt die maschine vom ersten meter an vollstes vertrauen durch das leichtfüssige handling, das niedrige gewicht und die moderate sitzposition, die jetzt, bei meiner estrella, durch den m-lenker etwas mehr nach vorne geneigt ist. trotzdem ist die maschine immer noch recht kurz geraten (im vergleich zu meiner ducati-supersport) und ich hab das gefühl, relativ aufrecht zu sitzen. die beschleunigung ist trotz der nur 20 ps noch als ausreichend zu bezeichnen, mehr kann man wohl bei dem kleinen motörchen nicht erwarten, mehr ist auch in anbetracht der miserablen straßenverhältnisse nur ungesund. einzig und allein an ampeln habe ich das gefühl, doch arg untermotorisiert zu sein. gewohnheitsmäßig rolle ich an der kolonne vorbei bis in die erste reihe und hab dann aber doch mühe, bei grün den beschleunigenden familienkutschen davon fahren zu können. heute hat ja schon fast jeder klein- und mittelklassewagen mindestens 80 ps oder mehr. was mich positiv überrascht sind die, trotz einzelscheibe und einkolbensattel relativ gut verzögernden bremsen, die mit dem leichtgewicht offenbar keine probleme haben. dank stahlflexleitungen bleibt auch der druckpunkt konstant. das fahrwerk fühlt sich straff genug an, die federbeine wurden ja auf die härteste stufe vorgespannt - und auch die gabel liegt dank vorspannhülsen im inneren relativ satt, auch wenn sich alles doch wesentlich weicher und weniger stahlhart anfühlt, als auf meiner duc. dafür vermittelt die maschine bei diesen motorradfeindlichen witterungsverhältnissen wesentlich mehr sicherheit. nach einigen kilometern fummle ich den choke, der für mich ungewohnt tief am vergaser sitzt, zurück und stelle fest, dass ich den motor bei jedem ampelstop künstlich per gasgriff am leben erhalten muss, um ein absterben zu verhindern. also doch wieder choke rein. aber erst mal gehts an die tankstelle, um mal den schon etwas abgestandenen sprit etwas zu verjüngen. als ich durch den stadtverkehr durch bin, und endlich auf etwas freiere landstraßen komme, kann ich die kleine mal fliegen lassen. im gegensatz zu meiner ducati, die erst ab ca. 6.000 upm und 120 km/h wirklich spaß macht, hab ich auf der estrella schon bei tempo 80 das gefühl, recht schnell unterwegs zu sein. erst mal wird der eisige naße fahrtwind durch keinerlei verkleidung abgehalten und ich hänge mit der nase voll im wind und das motörchen hat schon bei 90 oder 100 anständig zu arbeiten. mehr als 120 krieg ich nicht auf den tacho, und mir scheint, als sei auch dies noch etwas optimistisch. zudem wird die maschine beim hochschalten in den letzten gang nicht schneller, sondern zäher und langsamer. das ist komisch, eigentlich sollte sie da doch noch etwas zulegen. mein mechaniker meint später irgendwas von kleinerem ritzel einbauen... ich dachte eher, estrellas werden vorne mit einem größeren ritzel bestückt, um die höchstgeschwindigkeit zu erreichen... jedenfalls ist der fahreindruck auf der landstraße mal schon nicht schlecht. überholvorgänge von langsamer fahrenden autos traue ich mir noch nicht wirklich zu, weil ich die tatsächliche beschleunigung der maschine noch schlecht einschätzen kann, und da wetter, die sicht und die straßenverhältnisse einfach zu schlecht sind. als es dann zunehmend anfängt zu regnen, beschließe ich, meiner kleinen spatzierfahrt ein ende zu machen, und langsam wieder die heimische tiefgarage anzusteuern. die maschine sieht gotterbärmlich dreckig aus, der motor dampft, vom chrom am auspuff ist vor lauter dreck nichts mehr zu sehen. aber ich grinse unterm helm und hab eine diebische freude an meinem sternchen. die nächste ausfahrt findet hoffentlich mit etwas besserem wetter statt...
ich habe als frisch ernannter Moderator deinen Bericht mal in die Rubrik "Estrella diverses" verschoben. Ich denke, da passt er super hin und wenn ein Estrellainteressent mal einen derartigen Bericht sucht, findet man ihn hier sicher gut wieder.
Der Bericht ist übrigens total klasse, sehr farbig (wie deine anderen Beiträge ja auch). Schön, mal Erlebnisse von Fahrern zu haben, die sonst größere Maschinen gewohnt sind und die guten Seiten der Estrella erfahren und zu schätzen wissen.
Vieles von dem Du bisher nur gelesen hast kannst Du ja jetzt nachvollziehen. Ich glaube kaum, dass ein paar Kilo weniger die Estrella schneller oder spritziger machen (Thema Hauptständer). Die Estrella ist nun mal kein Weltmeister im Ampelstart.
Hm; dass die Estrella an der Ampel nach der Warmlaufphase noch ausgehen will und den Choke braucht hängt meist mit zu engem Ventilspiel zusammen! Dein Mechaniker hat bereits - wie beschrieben - das obere Spiel eingestellt??? Dann wäre ein Blick zur Leerlaufgemischeinstellschraube (meine nicht die Leerlaufschraube) ratsam. Auf der Seite wo der Choke sitzt. Schraube mit einem winzigen Schraubendreher ganz rein drehen und dann 1 - 1,5 Umdrehungen raus.
Dass 80 km/h auf der Estrella ganz anders wirken als auf "großen Maschinen" kann ich voll und ganz unterschreiben! Über das Thema "Fahrrad" (im positiven Sinne) wurde ja schon oft berichtet.
Auch die 2. Winterausfahrt war nun - dank Werkstattnummer - kein Problem, sondern, bis auf die beisende Kälte ein reines Vergnügen. Am Montag, mit "nur" einer Stunde Nachmittagsfreizeit, die ich für eine kleine Ausfahrt nutzen wollte, war es wieder mal soweit. Die blaue Nummerntafel war schnell mit einer Zentralschraube verlustsicher montiert, rein in die warmen Klamotten und ein paar Kilometer durch Stadtverkehr und Nebel, der Sonne entgegen. Kurz nach dem kleinen Ort Frastanz konnte man schon erahnen, dass oben strahlend blauer Himmel und Sonne war. Nach wenigen Kilometern durch den Nachbarort Satteins brach dann endlich voll das gleißende Licht durch den Nebel und es wurde, für die jetzigen Winterverhältnisse, mit bis zu -13 grad doch noch überraschend warm. In der Sonne schmolz teilweise sogar der Schnee am Strassenrand, dank Salzstreuung traf ich aber auch in den schattigen Stellen nirgendwo auf blankes Eis. Trotzdem war Vorsicht geboten, die Reifen noch kalt, und so richtig durch die Kurven schwingen traute ich mich nur auf trockener, sonnenbeschienener Fahrbahn. Der Motor der Estrella will ordentlich gedreht werden, auch wenn das der Fahrweise, die ich mir durch meine "1.-Maschine" angewöhnt habe, total entgegengesetzt ist. Mangels Drehzahlmesser konnte ich nur schätzen, aber so gefühlsmäßig tat sich unter 6.000 upm überhaupt nichts, danach kam sowas ähnliches wie Temperament auf um dann wenig später in zähem Geheuele auszulaufen, dass nur noch die Geräuschkulisse, nicht aber den Vorwärtsdrang erhöhte. Trotzdem, in dem relativ engen Band abrufbarer Leistung - und wenn man den Maßstab stärkerer Maschinen mit gummibandartigen Beschleunigungen mal aus dem Kopf verdrängt - machte die Estrella mächtig Spaß. Das Fahrwerk war nun straff genug eingestellt, um nicht zu wackeln wie ein "Lamperlschwaf" wie man in Österreich sagt und auch die Verzögerung der Einzelscheibe war absolut zufriedenstellend und lies nie den Verdacht aufkommen, unsicher unterwegs zu sein. An das tickernde Arbeiten des motors hatte ich mich inzwischen gewöhnt und nun machte es richtig Laune, das Maschinchen einfach vertrauensvoll rennen zu lassen (ohne Angst vor rutschigen Stellen auf der Straße) und die Landschaft zu genießen.
Wohl kaum jemand, von den Motorradfahrern, die ihr Gefährt nur von märz bis oktober bewegen, kann wahrscheinlich nachvollziehen, was für ein immenser Reiz es ist, dem Wetter, der Kälte und den widrigen Straßenverhältnissen zu trotzen und dick eingepackt, kaum bewegungsfähig, auf dem Motorrad sitzend zu hoffen, dass noch ein paar Momente sanft wärmender Sonne bleiben, um alles ein bischen geschmeidiger laufen zu lassen. Die Fahrt in der eiskalten Bergluft reinigt die Sinne, lässt das Gehirn wieder konzentrierter und auf Hochtouren arbeiten und entspannt trotzdem ungemein und der stress der vergangenen Tage schmilzt einfach dahin wie Eiszapfen in der Wintersonne. Winterfahrten sind - trotz der kältebedingten Kürze - wesentlich intensiver als Sommerfahrten. Jeder Meter Asphalt wird laufend regelrecht "gescannt" - um ja keine eisige Fläche, keinen auf der Bahn liegenden Schneebrocken, keine Splitnester in den Kurven zu übersehen, die einen überraschend zu fall bringen könnten. Manchmal lassen sich kleine rutscher nicht vermeiden. Der boden ist einfach zu kalt - und auch die besten Schlechtwetterreifen können bei Temperaturen um den Gefrierpunkt oder gar darunter nicht viel haftung aufbauen. vor allem nicht in Schräglage. darum gehe ich das ganze behutsam an. Fussrasten anschleifen und bis an die Reifenkanten fahren kann ich wieder, wenn das Thermometer mindestens 15 grad anzeigt und die straße trocken ist. Jetzt ist bummeln und genießen angesagt. Straßenabschnitte, die man im Sommer kaum wahrnimmt, weil nur mit leichten Knicks im Straßenverlauf - oder einfach als langweilig empfindet - werden jetzt auf einmal zur spannenden Herausforderung. Die Straße ist zwar immer noch zweispurig ausgebaut - wie im Sommer - und auch zwei breitere Autos kommen normalerweise ohne probleme aneinander vorbei - im Winter sieht alles etwas anders aus. Am rechten fahrbahnrand stapelt sich fest gefrorender Schnee und es fehlt mindestens ein halber Meter, der sonst für überraschende Ausweich- oder Bremsmanöver zur Verfügung steht. Jetzt ist da kein Platz, schon gar nicht für Beschleunigung oder sonstige "motorradübliche" Manöver. /udem rinnt oft Schmelzwasser in leicht nach innen abfallenden Kurven und die gefahr, auf gefrierendem Wasser auszurutschen, ist empfindlich hoch. Der Mittelstreifen ist oft noch von leichtem schneematsch bedeckt, also auch tunlichst zu meiden. Darum bleibt oft nur ein knapper Meter von der ursprünglich 2,5 m breiten Straße für relativ gefahrlosen Motorradgenuß. Der Blick auf das verschneite Bergpanorama entschädigt für die Kälte in Fingern und Nasenspitze, die relative Unbeweglichkeit in den zwiebelchichtartigen Klamotten, das konzentrierte Aufpassen auf sämtliche Veränderungen im Straßenverlauf. Die Sonne steht schon Nachmittags um 4 relativ tief - und aus dem Tal schleicht schon wieder der Nebel die Berghänge hoch. Der Blick ins Tal ist durch eine leichte Nebelschicht getrübt und die Berge werfen lange Schatten. Aber in Höhen über 1000 m herrscht noch die Leichtigkeit des Seins. Höher hinauf wage ich mich nicht, weil die Zeit drängt, ich bis um 5 wieder im Tal sein muß und meine durchfrorenen Hände langsam taub und gefühllos werden. Vereinzelt treffe ich Wanderer an, die mir groß erstaunt nachschauen, aber da die Estrella eher den Eindruck eines Mopeds denn eines ausgewachsenen Motorrades vermittelt, ist das Erstaunen nicht allzu groß. In ländlichen Gebieten werden ja oft kleine Mopeds für die täglichen Wege zur Arbeit oder kleine Besorgungen verwendet, auch im Winter, auch bei Schneematsch und Eisregen. In meiner Werkstatt bekam ich erklärt, dass es nun spezielle Winterreifen für Roller und 125er gibt, wahrscheinlich bald auch für größere Maschinen. Nichts für mich. zumindest ein schmaler Steifen Asphalt sollte befahrbar sein.
An der Abzweigung bei der Tankstelle widerstehe ich der Versuchung, weiter ins Tal hineinzufahren. Ich kenne den Sreckenverlauf zu gut, als dass ich - jetzt im Winter - auf eis- und schneefreie Verhältnisse durch die enge Schlucht hoffen könnte. Also nehme ich die Abzweigung nach rechts, talauswärts und rolle gemächlich, mit der blendenden Sonne im Gesicht die großzügigen Kurven hinunter nach Thüringerberg. Unten wabert mir schon wieder der kaltfeuchte Nebel entgegen, noch nicht so dicht, dass er die Sicht wirklich beeinträchtigen könnte, aber eckelhaft kalt - und die sonnenbeschienenen Berge mit dem postkartenblauen Himmel darüber sind nur noch schemenhaft erkennbar. Die restlichen 5 km bis nach Hause sind eine wahre Tortur. Die Temperatur ist inzwischen auf mehrere Grade unter Null gesunken, das Gefühl in den Händen praktisch nicht mehr vorhanden (was sind das für Sch....-Winterhandschuhe???) und ich schaue nur noch, dass ich heim in die warme Garage und Wohnung komme. In der Tiefgarage angekommen, stelle ich fest, dass ich die kleine Maschine offensichtlich arg gejagt habe. Der vormals chromfarbene Auspuff ist vom Krümmer bis zum Schalldämpferende schön vergoldet, alles gleichmäßig, ohne blaue Verfärbungen. Hast schwer zu arbeiten gehabt, kleines Maschinchen, denke ich, und streiche der kleinen liebevoll über den Sattel, bevor ich mich aus meinen Zwiebelschichten schäle und die Garagentür hinter mir zumache.
Deine Ausfahrt. Besonders die Gefahrenstellen fordern einen Winterfahrer doch ganz anders als den sommerlichen Schönwetterfahrer. Im Winter habe ich auch schon alles ausprobiert: Dreifingerhandschuhe, Windabweiser, Lenkerstulpen und Unterziehandschuhe. Nutzt alles nichts. Wenn es richtig kalt ist gibts immer klamme Finger.
hört sich gut an... manchmal fehlen mir die Hügelchen und die Bergchen. Besonders nach so einer Beschreibung.
A propos kalte Pfoten : ich habe meine neuen Winterhandschuhe an die beiden Pole der Batterie angeschlossen. Der echte Härtetest steht noch aus -hier an der Küste ist es nur knapp unter Null - aber ich gehe mal davon aus, dass der SEHR positive Effekt auch bei niedrigeren Temperaturen anfällt. Es ist hingegen ein Gehampel mit den Kabeln - da ich etwas gross geraten bin, kann ich sie nicht permanent in der Jacke unterm Futter installieren. U.
Du schließt die Handschuhe direkt an der Batterie an? Doch sicher mit einer Steckverbindung dazwischen und mit einer Normbuchse vermute ich mal. So eine Motorradsteckdose habe ich schon an meiner W. Jetzt fehlt nur noch ein Erfahrungsbericht ob die Handschuhe was taugen.
Nenn die Dinger wie Du willst : zwischen dem +Pol und der Buchse sitzt eine Sicherung und eine Buchse guckt vorne links unter der Sitzbank raus. 2 Kabel : 1x von der Batterie bis zur frischen Luft. 1x von meiner Hüfte bis zu den Handschuhen. War alles dabei. Stecker ist ein mir unbekanntes Modell. Nix Motorradsteckdose, bzw. Zigarettenanzünder. Was iss denn 'ne Normbuchse ???? DIN ??
Bisher bis zu einer Stunde bei 2 Grad gefahren - an den Fingern kein Unterschied zwischen erster und letzter Minute. Sobald es hier kälter wird (?), werde ich mehr berichten können. Handschuhe taugen sicher was, nur... was ??? U.
Sollte die Zahl deiner Geschichten einen gewissen Umfang übschreiten, kriegt Rusty seine eigene kleine "Sektion" mit eigenem Seiten-Design und einer Index-Datei zum direkten Aufruf!
Nochmal der Aufruf an alle anderen: Lustige oder einfach nur lesenswerte Berichte oder Geschichten rund um die Estrella sind immer lichst willkommen! Tour- und Reiseberichte, Schraubererlebnisse (kann ja auch sehr amysant sein) ... Was euch einfällt! Ihr könnt die Geschichten hier schreiben oder mir als Textdatei (Word ...) per E-Mail zuschicken.
Wenn andere Ski fahren gehen, lockt's mich jetzt mit meiner kleinen Estrella auf halbwegs schneefreie Strassen. Die Sonntagsfreizeit war kurz, da ich am Nachmittag noch eine berufliche Verpflichtung hatte, aber ich wollte die kurze Zeit zwischen auftauchen der Sonne - und Mittag nützen, um eine kleine Ausfahrt zu machen. Seit Freitag nun mit eigener, angemeldeter Nummer ausgestattet, traute ich mich zum ersten mal im Winter über die österreichisch-liechtensteinische Grenze, um meine sommerlichen Hausstrecken auf Wintertauglichkeit zu überprüfen. die eiskalte Ernüchterung kam schon kurz nach der Grenze. Schaanwald, so heißt der kleine Grenzort, liegt im Schatten des Berges und die Durchzugsstraße bekommt so gut wie keine Sonne ab. Dadurch war es eisig kalt und mancherorts glänzte die Straße verdächtig glatt. Höchtste Vrsicht war geboten. Ih bog kurz bei einer Tankstelle ein, dessen Besitzer auch Motorrad fährt, um mir noch die guten "Gitanes blondes" zu holen, die es in Österreich nicht gibt. Als ich mich notdürftig aus Helm und Handschuhen schälte, um mit klammen fingern nach der Geldtasche in der Goretex-jacke zu fischen, traf sich mein Blick mit den erstaunten Augen des Tankwarts, der mich ungläubig anstarrte. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, meinte er: "dachte mir schon, wer ist wohl so verrückt, bei dieser schweinekälte Motorrad zu fahren - aber das kannst wohl nur du sein..."
Irgendwie hatte er wohl recht, aber die herausforderung, zu fahren, wenn allen anderen das kalte Grausen kommt, hat auch einen besonderen Reiz. Andere tummeln sich auf überfüllten Skipisten, bei auch nicht höheren Temperaturen, und geben dafür noch eine Menge Geld aus. Ich vergnüge mich auf menschenleeren Straßen, zumindest was zweispurige Fahrzeuge betrifft. Dass das Vergnügen heute nicht ganz ungetrübt war, sollte sich erst später herausstellen.
Ich rollte vorsichtig von der Tankstelle weg, über ein Stück festgefrorenen, glattpolierten Schnee und tastete mich, mit beiden beinen rudernd zur schneefreien Straße vor. Zum glück hat die Estrella eine sehr geringe Sitzhöhe und ich habe mit beiden Füßen sicheren Stand.
Die Sonne schaffte es einfach nicht, den Nebel vollständig aufzulösen und so beschloß ich, Richtung Altstätten zu fahren und dann meine Hausstrecke, den "Stoss" zu erklimmen. Dumm war nur, daß sich inzwischen an meinem Helmvisier gefrorener Atem zu Eisblumen kristallisierte und ich nur noch halbe Sicht hatte. Also Helmvisier auf und dem eisigen Wind mutig ins Auge sehen. Das bedeutete jedoch, daß meine Höchstgeschwindigkeit auf maximal 60 km/h schrumpfte, denn alles andere hätte womöglich ernste Erfrierungen im Gesicht zur Folge gehabt. Dummerweise hatte ich meine Sturmhaube zu Hause liegen lassen, und nur die wärmende Halsstulpe an, die zumindest ein auskühlen im Hals-Brust-Bereich notdürftig verhinderte. Das nächste mal - schwor ich mir - wird umgekehrt, auch wenn nur das kleinste Kleidungsstück der Winterzwiebelschichten fehlt. Aber nun war es zu spät. Ich wechstelte, so gut es ging, zwischen trüber Visier-heruntergeklappt-Sicht und tränentreibender eiskalter Visier-hochgeklappt-Sicht.
Im Sommer oder Herbst, wenn angenehme plus-Temperaturen herrschen, mag man über solche "Motorradprobleme" hellauf lachen. aber mir war inzwischen nicht mehr zum lachen zumute. Eher zum weinen. vor Kälte, die mir schmerzhaft in Gesicht, Hände und Zehen biss und die auch vor Ski-Unterwäsche bewehrten Beinen und Armen nicht halt machte...
Innerlich begann ich meinen Entschluss, bei dieser Hundekälte Motorrad zu fahren, zu verfluchen. Andere saßen jetzt gemütlich Zuhause, oder vergnügten sich auf der sonnigen Skipiste (welch ein Hohn...) und ich gurkte mit Schneckengeschwindigkeit im immer dichter werdenden Nebel herum. Als mir dann auf der Hauptstraße durch das kleine Ortchen Oberried hindurch nur noch ein dünner Fahrbahnstreifen ohne salzigen Schneemus übrigblieb, beschloß ich, dem Drama ein Ende zu bereiten, und umzukehren. Gesagt getan... oder besser gesagt, nicht getan, denn ich versuchte verzweifelt einen geeigneten Platz zum wenden zu finden. Was im Sommer überhaupt keinen Gedanken wert ist, wird im Winter zur Überlebensfrage. Schaff ich es, ohne mich auf die Schnauze zu hauen, auf einer Eisplatte zu wenden, oder soll ich lieber auf den nicht-gekehrten Gehsteig ausweichen. Ich suchte das Heil in einer etwas besser geräumten, links abzweigenden Seitenstraße und brauchte dann noch einmal eine Seitenstraße um vollständig die andere Richtung einzuschlagen.
Das alles klingt jetzt vielleicht verrückt oder übertrieben, aber hat schon mal jemand von euch versucht, 165 kg Metall, Gummi und Plastik und Sprit auf einer Festgefrorenen Eisplatte zu wenden? Nein, na dann, aufhören zu lachen! Ja: o.k. wenn ihr's geschafft habt, Gratulation, wenn nicht - habt ihr mein vollstes Verständnis! Ich gehöre von Natur aus eher zu dem vorsichtigen, wenn nicht sogar ängstlichen Typus Mensch, darum hab ich's erst gar nicht versucht und bin lieber ein paar hundert Meter weiter gefahren, um gefahrlos wenden zu können. Na gut, man kommt auch auf Umwegen ans Ziel - und mein Ziel war, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und meine steifgefrorenen Finger und Zehen wieder aufzutauen. In Gedanken malte ich mir schon die bevorstehenden Schmerzen aus, die mich an meine frühe Teenagerzeit erinnern würden, wo ich winters auch alles in Kauf nahm (inklusive halb abgefrohrener Zehen) um beim samstagabentlichen Eislaufen die männliche Jungenschaft treffen zu können. Diese Zeiten sind gottseidank vorbei und ich bin überzeugt, weder mir noch den anderen durch stoisches aushalten was beweisen zu müssen, also strebte ich zügig der heimatlichen Tiefgarage zu.
Der Beamte an der Grenze kam erst gar nicht aus seinem Häuschen heraus, schaute nur leicht herablassend und mitleidig, so nach dem Motto "Es gibt heutzutage immer mehr Menschen, die sich kein Auto mehr leisten können..." und so konnte ich unbehelligt weiter fahren.
Näher Richtung Feldkirch kommend brach wieder die Sonne durch den Nebel. Diesmal stärker, intensiver, ein Gedanke von Wärme und sonnenbestrahlten Berghängen durchzuckte mein Gehirn - aber, nein, die warme, zentralgeheizte Wohnung erschien mir jetzt als das höchste Glück auf Erden. Ich konnte jetzt sogar so etwas ähnliches wie Sympathie für all die heizgriffbewehrten Bmw-Fahrer aufbringen. Obwohl sich wahrscheinlich kaum einer von denen bei tatsächlichen minus-temperaturen, wie sie jetzt herrschen, auf die Straße wagen würde. Vor der heimischen Tiefgarage angelangt, stellte ich die Maschine mit laufendem Motor ab, angelte mit dem letzten mir verbliebenem bewegungsfähigen Finger den Garagenschlüssel aus der Tasche während ich innerlich "Knocking on heavens door" vor mich hinsummte.
Drei Erkenntnisse hatte ich von der Ausfahrt mitgenommen: 1. Gehe nie mit dem Motorrad im Winter Zigaretten holen (auch wenn die Sucht noch so groß ist), wenn der Kiosk auf der Schattenseite des Berges liegt. 2. Minus 10 Grad im Nebel sind kälter als minus 10 Grad in der Sonne. 3. Wenn du nicht auf einer Eisplatte wenden willst, bist du kein Feigling, sondern vernünftig - nur Skifahrer fahren über gefrorenen Schnee, die haben aber auch Stahlkanten unter den Füßen...
irgendwann kommen auch ein paar fotos, wenn ich es schaffe, den akku der camera vor der kälte zu schützen. der mag das nämlich gar nicht, und verabschiedet sich jedesmal nach den ersten 2 bildern. wer nicht lebt, stört nicht.
In Antwort auf:schon mal jemand von euch versucht, 165 kg Metall, Gummi und Plastik und Sprit auf einer Festgefrorenen Eisplatte zu wenden?
das kenne ich noch aus der Zeit
als ich 12 Jahre lang Tag für Tag mit dem Motorrad zur Arbeit fuhr. Meine Frau hatte mich oft gebeten den Bus zu nehmen, doch der kam nicht wenn es glatt war. Irgendwann habe ich mir extra für den Winter eine kleine Dax gekauft. Die geringe Sitzhöhe, das Gewicht von 70 kg. und die griffige Stollenbereifung machen Schnee- und Eisfahrten zum fahrerischen Vergnügen. Nur die Kälte, die muß man auch auf der Dax ertragen.
Einen schönen - und vor allem ehrlichen - Bericht von Deiner Ausfahrt hast Du uns da geliefert.