hallo, liebe estrellisten, der winter - und meine aktive zeit mit der estrella neigen sich langsam dem ende zu. darum möchte ich euch an einer meiner letzten winterausfahrten mit der estrella teilhaben lassen:
es gibt so tage im winter, da muss man unbedingt raus mit dem motorrad. jeder nicht-motorradfahrer oder ausschließlich-schönwetter-fahrer wird nur verständnislos den kopf schütteln, aber genau so war’s letzten samstag nachmittag. die estrella stand frisch geputzt und gewachst in der garage. draussen war alles grau in grau. ein wetter, bei dem man eigentlich keinen hund vor die tür schickt. der hochnebel schaffte es einfach nicht, auch nur einen kleinen sonnenstrahl durchzulassen. trotzdem spürte ich, wenn ich jetzt nicht sofort auf die maschine sitze und rausfahre, werde ich verrückt. dieses gefühl des winterlichen eingesperrt-seins ist kaum erträglich. also: die zwiebelschichten aus mehreren schichten funktions-thermo-unterwäsche angezogen, einen windstopper-kragen aus vlies, darüber die sturmhaube und darüber noch mal einen mund-nasenschutz aus neopren. dann das ganze packet in lederhose und goretexjacke zwängen und hoffen, dass das kleine 20-ps-mopped die überlast noch verkraftet. inzwischen weiss ich die segnungen der modernen textilfasern zu schätzen. die dinger sind wesentlich dünner und leichter als mein schipullover von annodunnemal und halten trotzdem fast perfekt warm. zu heizgriffen oder gar einer sitzbankheizung hab ich mich auch in den verfrorendsten minuten noch nicht durchringen können.
draussen ist es kalt. sehr kalt. obwohl das thermometer an der terassentür optimistische 7 grad zeigte. aber der nebel lässt die temperatur noch mal um gefühlte 5 grad sinken. die maschine springt wie immer zuverlässig auf den ersten knopfdruck an und braucht schon nach wenigen metern keinen choke mehr. motorradfahren in dieser jahreszeit, bei diesem wetter grenzt an so etwas wie einsiedlertum. man ist ganz für sich, abgeschlossen von der aussenwelt und nimmt diese nur durch den filter von sturmhaube-helm-fliegerbrille und die dicken schichten der bekleidung war. und trotzdem ist man der natur, der kälte, den strassenverhältnissen schutzlos ausgeliefert. drinnen ist es wohlig warm, draussen eiskalt.
bei winterfahrten verlangsamt sich alles. schon bedingt durch die witterungsverhältnisse, die nasse, bis teilweise mit schneeresten bedeckte straße, die immer vorhandene gefahr eines rutschers, rollsplit, nasses laub, schlechte sichtverhältnisse. all diese faktoren begrenzen die geschwindigkeit auf ein lebensbejaendes, gemäßigtes tempo. aber nicht nur das. es gibt keine "gegner" mit denen man sein fahrerischen können messen könnte. kaum ein motorradfahrer, der sich bei diesen temperaturen auf seine maschine schwingt. und wenn man noch so eine seltene spezies trifft, dann kommt sie in form eines entgegenkommenden motorrades, dessen fahrer immer grüsst. denn im winter grüsst man sich. winterfahrer freuen sich in der regel, auch noch andere „verrückte“ wie sie zu treffen. aber keiner wird auf die idee kommen, sich ernsthaft mit einem anderen winterfahrer zu duellieren. eher mal zum spass, wenn es die strassenverhältnisse zulassen. aber meistens sind winterfahrten eine einsame spezies. man ist allein mit sich und seiner maschine und verschmilzt zu einer hochkonzentrierten einheit. jeder fehler kann einen sturz oder schlimmeres verursachen, darum dürfen keine fehler gemacht werden. das durch begrenzende schneehaufen schmal gewordene asphaltband ist kalt und bietet weniger grip als im sommer. die reifen erreichen meist kaum handwarme temperatur. ein guter winterreifen hält auch bei diesen frostigen temperaturen. auch bei nässe. aber ich will es nicht provozieren und fahre bewusst nur an die gefühlte 60 % der möglichkeiten.
manchmal graben sich gedanken ins bewusstsein: was, wenn ich stürze und in der kälte liegen bleibe? die strasse fühlt sich im winter kälter und gleichzeitig härter an. auch wenn das nur psychologische und keine physikalische ursachen hat. aber solche gedanken stören die konzentration und werden gleich wieder verdrängt. trotzdem sind sie nicht immer wegzubekommen.
die eiskalte luft bahnt sich einen weg durch jede noch so kleine ritze in der bekleidung. der spalt zwischen mundtuch und motorradbrille, die belüftungsschlitze in der brille, die zwei milimeter zwischen helm und sturmhaube... wenn nicht alles absolut richtig und dicht sitzt, merkst du das spätestens nach 5 km, oder bei verschärftem tempo (und das fängt bei winterfahrten schon bei unter 100 km/h an) schon früher. ich schraube mich über die schon hunderte mal gefahrenen kurven weiter nach oben. die zeit ist verlangsamt, ja steht fast still. jede kurve wird hundertmal bewusster als im sommer durchfahren. wie wähle ich die linie, lasse ich gas stehen, oder bremse ich schon früher? ist die kurve nach dem scheitelpunkt nass oder trocken? liegt vielleicht gefährlicher rollsplit? kommt mir ein auto entgegen, das wegen dem auf der seite liegenden schnee weiter in der fahrbahnmitte fährt? hunderte fragen, die mich in sekundenbruchteilen beschäftigen und mich das tempo drosseln lassen. ich will ja diese strecke auch unbeschwert noch im frühjahr oder sommer oder nächsten winter fahren können. je höher ich komme, um so dichter werden die wolken und ich komme bald in einen fast undurchdringlichen nebel. die sichtweite sinkt von mehreren hundert metern bis unter 20 m, bald sind es nur noch knapp 10 m. das fahren wird mühsam, ein unbeholfenes stochern in der milchsuppe. zudem ist es deutlich kälter geworden. als die sichtweite nahezu null ist, lasse ich die maschine langsam am straßenrand ausrollen und nehme meine brille ab. an der aussenseite der gläser haben sich tausende kleinste wassertröpfchen gesammelt. auch an den ärmeln meiner goretex-jacke perlt das wasser und am runden scheinwerfertopf hängen dicke tropfen. ich reinige die brille notdürftig mit einem zipfel meiner sturmhaube und setze sie wieder auf. augenblicklich beschlägt sie auch von innen. so wird das nichts. um weiter fahren zu können, nehme ich die brille wieder ab und fahre langsam, unbebrillt weiter. so geht’s und ich nehme die nächste abzweigung talwärts. ein paar wanderer im nebel schauen mir ungläubig nach. zu unbedingt notwendigen zweckfahrten wird hier nur das auto – oder wer noch nicht auto fahren darf oder es sich nicht leisten kann bestenfalls ein roller oder ein mofa benutzt. wer in vorarlberg ganzjährig mit dem motorrad unterwegs ist, macht das entweder zum vergnügen oder wird nahezu für verrückt erklärt. aus den blicken der fussgänger zu schließen zählen sie mich wohl zur zweiteren sorte.
weiter im tal wird die sicht wieder besser, ich nehme die kurven wieder mit schwung und elan und kann es wieder etwas befreiter laufen lassen. in der nächsten ortschaft steuere ich eine tankstelle an um meine brille zu reinigen. an der aussenseite hat sich eine kruste aus feuchtigkeit und salzdreck gebildet, die ich vorsichtig, um das glas nicht zu verkratzen mit dem schwamm, der im kübel für die windschutzscheibenreinigung steckt, sauberwische. das putzwasser ist schon dreckig, also bleibt das ganze nur eine gutgemeinte geste. mit den papiertaschentüchern neben der zapfsäule wische ich die brille trocken und fahre weiter.
eine winterausfahrt kann einem nach nicht einmal 40 km schon das gefühl geben, sehr viel erlebt zu haben, weil die eindrücke viel intensiver wahrgenommen werden. um mich ein wenig aufzuwärmen, mache ich einen abstecher zu einem befreundeten ehepaar in der nähe. die zwei, beide selbst motorradfahrer, machen grosse augen, als ich mit der total verdreckten maschine vor ihrer haustür stehe. die erste frage ist, magst du einen tee oder einen kaffee? wenn man selbst fährt, weiss man, wie gemein die kälte bis ins innerste der knochen kriechen kann. ich wähle kaffee, denn schon der anblick der warmen küche lässt mich wieder auftauen und ich merke, wie meine lebensgeister langsam zurückkehren. das hauptgesprächsthema ist natürlich – wie sollte es auch anders sein – das motorradfahren. stefan erzählt von seinen ersten abenteuern mit der alten xt, die ihm in den ersten jahren einige male den dienst versagt hatte. "wenn du dann in der kälte stehst, und das teil lässt sich einfach nicht ankicken, wird dir ganz schön warm. trotz minus 5 grad aussentemperatur..." inzwischen ist seine xt so gut in schuss, dass sie auf den ersten kick anspringt. aber nur bei ihm. versuche meinerseits (als ich mich mit dem gedanken trug, eine srx - mit gleichem motor - zu kaufen, schlugen auch nach dem 25. mal kläglich fehl).
eines der kinder sitzt lautlos daneben und hört staunend und mit großen augen zu. genauso, wie ich früher den gesprächen der erwachsenen gelauscht habe, fährt es mir durch den kopf. damals drehten sich die für mich faszinierenden gespräche allerdings nicht ums motorradfahren – ich hatte leider niemanden in meinem familien- oder freundeskreis, der mich mit solchen geschichten versorgte. aber ein onkel von mir war busfahrer – und wie die meisten guten chauffeure konnte er auch gute geschichten erzählen. die um winterliche fahrten kreisten oder um pannen – oder um beinaheunfälle. damals war dieser onkel mein held. es ging um technik um fahren um geschwindigkeit um mobilität, die mir als kind, da meine eltern kein eigenes auto hatten – schmerzlich fehlte. erst spät wurde ich mit geschwindigkeit und technik konfrontiert – als ich mir mit anfang zwanzig – gegen den wunsch meiner eltern – meine erste maschine, eine 10 jahre alte honda cb400f kaufte. endlich war das langersehnte werkzeug der freiheit in meinen händen. und ich konnte selbst, mit einer drehung des rechten handgelenks, bestimmen, wie schnell – und wohin es richtung freiheit gehen sollte. ich habe dies bis zum exzess genutzt, war oft tagelang allein auf der maschine unterwegs, habe alle strassen der näheren und weiteren umgebung (die ich vorher nur vom busfahren oder rad fahren kannte) erkundet und festgestellt, dass distanzen schmelzen wie schnee in der sonne. von da an wurden meine maschinen immer schneller, oft auch schwerer, nicht immer leichter zu fahren – aber ich erlag nach und nach dem rausch der geschwindigkeit und der faszination des fahrens.
seit ich im winter – oder auch sommers für kleine ausflüge die estrella fahre, eine maschine, die nicht nur wie ein oldtimer aussieht, sondern weitgehend auch so fährt, inklusive der gemächlichen beschleunigung, kehrt sich das ganze verhältnis um. die distanzen werden wieder länger, die zeit, um von einem ort zum anderen zu kommen, dehnt sich und wird nur intensiver aber nie langweilig. schnelles vorwärts kommen spielt auf einmal nur noch eine untergeordnete rolle und auch heftiges am gasgriff drehen provoziert keine gefährlichen manöver sondern nur ein gemächliches schnellerwerden der ganzen fuhre. einzig und allein die zähen überholmanöver nerven. manchmal passiert es eben doch, dass ein langsames auto, ein bus oder ein lkw in die freie bahn schiebt. und wenn du dann nach reiflichem überlegen, ob die strecke und die zur verfügung stehende leistung der maschine wohl ausreichen, zum überholen ansetzt und der autofahrer neben dir gibt just in dem moment, als du auf fahrertürhöhe bist, gas, dann könntest du autofahrer und maschine verfluchen. vor allem dann, wenn du beim entgegenkommenden schon das weisse in den augen siehst. darum hab ich mich nach einem intensiven jahr mit der estrella, das geprägt war von vielen höhen und tiefen, freuden und verwünschungen, begeisterung ob dem fahrradgleichen handling der maschine und verzweifling wegen der spärlichen leistung derselben, entschlossen, das motorrad in andere, vielleicht geduldigere hände zu geben. ich fahre gerne schnell und unbehindert und das lässt sich auch auf einer hubraum- und leistungsschwachen maschine nicht verbergen oder gar kurieren. rasches, unbehindertes vorwärts kommen, wann ich das will, ist mir wichtig. geduld ist nicht meine stärke. schon gar nicht beim hinterherfahren bei einem stinkenden lkw.
„willst du noch einen kaffee“ fragt ingrid und ich schrecke aus meinen gedanken auf. doch es beginnt schon zu dunkeln und ich lehne dankend ab. bis ich wieder in meine zwiebelschichten gepackt bin, vergehen einige minuten und ich bin froh, noch vor dem einbruch der nacht wieder nach hause zu kommen. denn die nachtfahrten meide ich besonders, speziell bei regen oder im winter. entgegenkommende autos blenden, die strassenbeschaffenheit ist oft nur noch zu erahnen und in der gegend, in der ich wohne, sind auch unfälle mit wild an der tagesordnung. als ich die maschine, die leise vor sich hin tickert, wieder in der tiefgarage abstelle, habe ich eine verwandlung hinter mir. der stress des alltags ist weggewischt, ich habe wieder reine, klare luft geatmet, alle sinne geschärft und wieder neue energie aufgetankt.
Brave Mädchen kommen in den Himmel - böse Mädchen kommen ÜBERALL hin.
ciao, pfiad di und habe die Ehre Tante belle cose! Schade, dass deine Geschichten hier so selten frequentiert werden. Vielleicht ist es manchen Leuten ja zu mühsam die vielen Buchstaben zu lesen. Mir gefällts und du hättest m.E. mehr Hits verdient. Schade auch, dass aus unserer Adventstour nichts geworden ist. Die Idee war jedenfalls schon mal genial. Ich werde das ins Motorradreisen Repertoire aufnehmen. Für heuer hab ich schon ein paar neue Estrella-Piloten (das hört sich doch schon nach Highspeed an, oder?) an der Angel. Irgendwas Spektakuläres werden wir dann 2006 schon zusammen auf die Beine stellen. Trainingsweekend der Estrella Owners am Salzburgring oder so . Ein dreifach Hoch auf die heißen Öfen der Minderbemittelten, Ungesponserten und Kreativen!
Ich kann da nur zustimmen die Geschichten sind einfach zulang und werden auch von den meistens nicht gelesen kurz Geschichten sind da schon besser, aber keine Seitenlange Romane , das ist nicht böse gemeint
Man glaubt's ja kaum, dass sich jemand outet, aber die letzte Zeile relativiert doch wieder alles. also nix für unguat... Frauen sind doch das Salz an der Suppe! Sie spinnen und weben himmlische n ins irdische Leben.
Schönere Berichte kann ich mir in keiner Zeitschrift vorstellen!!!! Hast Du schon mal daran gedacht, Dich schriftstellerisch zu betätigen? Deine Estrellageschichten würden sicherlich einen schönen Roman abgeben.
Hallo Virginia, ich habe deine Geschichten auch immer mit Genuß gelesen. Falls dir nochmals danach ist,schreib gerne wieder,auch von deinen Erlebnissen mit der neuen Maschine,gern auch wieder genau so lang. Grüße Thomas
Selbtverständlich sind Virginias Geschichten auch mit einem Monster o.ä. immer willkommen hier! Dies ist ja kein Forum von Estrella- oder Kawasakifahrern, sondern ein Forum für "Freunde der Estrella". Und das bleibt sie ja.
Einziger Unterschied: Es käme nicht in "Estrella Diverses", sondern in Benzingespräche".
Selbtverständlich sind Virginias Geschichten auch mit einem Monster o.ä. immer willkommen hier! Dies ist ja kein Forum von Estrella- oder Kawasakifahrern, sondern ein Forum für "Freunde der Estrella". Und das bleibt sie ja.
Einziger Unterschied: Es käme nicht in "Estrella Diverses", sondern in Benzingespräche".
vielen dank, ich fühle mich geehrt (gibt es hier keinen smiley, der eine verbeugung macht???) o.k., wenn's recht, ist, werde ich euch auch in zukunft mit monster- oder anderen motorradgeschichten versorgen. und vielleicht kommt irgendwann einmal (wenn ich alt und weise bin) wieder eine estrella ins haus. ich lass mir mal vorsorglich beim zukünftigen besitzer meiner estrella die vorkaufsrechte sichern, sollte er sie wiede loswerden wollen... aber momentan geht's halt nur so... 3 motorräder im haus, da bekomme ich krieg mit meiner regierung!
gruss virginia
Brave Mädchen kommen in den Himmel - böse Mädchen kommen ÜBERALL hin.